Deutsche Autobauer müssen aufs Tempo drücken
Die Aktien der Autohersteller und -zulieferer stehen seit einiger Zeit unter Druck. Deka-Expertin Senta Graf spricht im Interview über die Aussichten der Branche.
Die Auto-Aktien machen einen wichtigen Teil im Dax aus: Jetzt stehen sie wegen der immer härteren Energiegesetzgebung und deren Folgekosten unter Druck. Muss mit weiteren Verlusten gerechnet werden?
Kurzfristig leider ja. Es ist nahezu unmöglich, das auf die nächsten Wochen ganz genau einzuschätzen. Es wird sicher weiter holprig an der Börse.
Weil die staatlichen und gerichtlichen Eingriffe so stark sind?
Die Autobranche bewegt sich schon immer in einem hochregulierten Markt und das hat von jeher Kosten verursacht. Aber es hat den Erfolg der deutschen Premiumhersteller nicht beeinträchtigt.
Gerade beutelt es diese erfolgsverwöhnten Unternehmen an der Börse aber besonders.
Es kommen zwei aktuelle Herausforderungen dazu: Erstens hat die neue strengere Abgasnorm WLTP zu Verzögerungen bei den Zulassungen geführt; Produktion und Absatz werden also leiden. Die Kosten steigen und es gibt Druck auf die Margen, weil noch große Lagerbestände nach der alten Norm mit Kaufanreizen in den Markt gedrückt werden. Und zweitens kaufen auch die Chinesen im Vorjahresvergleich deutlich weniger neue Autos.
Wohl eher nicht wegen der Abgasnormen?
Nein, in China sind staatliche Förderungen ausgelaufen – und der Handelsstreit mit den USA spielt auch eine Rolle. Manch teures deutsches Premiumfahrzeug wird dort gefertigt und unterliegt nun Zollaufschlägen für US-Produkte.
Ist denn ein Ende der Absatzdelle abzusehen?
Die Unternehmen sind gerade mitten in der Berichtssaison. Wie sich zeigt, ist das dritte Quartal massiv betroffen. Daimler aber etwa erwartet, im vierten Quartal die Delle schon wieder auszugleichen. Genau wissen wir jedoch erst Anfang 2019, inwieweit das gelingen kann.
Wie gut stehen die deutschen Autobauer und Zulieferer in Sachen neue Antriebsenergie und dem Zwang zum Energiesparen da?
Technisch besser, als es zuweilen aussieht. Elektromobilität ist ja eigentlich eine simple Sache. Schwieriger ist es, die Kundenbedürfnisse nach Reichweite und schnellem Laden zu erfüllen und gleichzeitig noch gutes Geld zu verdienen. Darum sind viele Hersteller da noch zögerlich. Die Kunden fliegen ja auch nicht gerade auf die Elektro-Angebote. Wir schauen da sehr genau hin, um diese Situation einzuschätzen. Aber natürlich müssen die angebotenen Flotten weniger CO2 ausstoßen – daher geht an der Elektromobilität kein Weg vorbei.
Nehmen Tesla und chinesische Konkurrenten sowie die Zellhersteller Asiens beim Thema Elektroauto den Europäern die Butter vom Brot?
Ich denke nicht, dass die deutsche Branche ins Hintertreffen gerät. Ein Vorsprung lässt sich mit Kraft und Willen aufholen – das hat die Autoindustrie hierzulande immer wieder bewiesen. Bei Vans, SUVs oder kompakten Premium-Autos waren Daimler oder BMW auch nicht immer die ersten. Aber die Kraft ihrer Marken hat es rausgerissen, als sie eigene Produkte in diesen Segmenten auf den Markt brachten.
Bei der Elektromobilität scheint aber Tesla die Deutschen vor sich herzutreiben. Das Model 3 in der unteren Mittelklasse liegt beim Absatz in den USA beispielsweise klar vor dem 3er BMW.
BMW hat ja noch gar kein vergleichbares E-Auto. Ich bin die Lieblingstochter meiner Mutter – sie hat aber nur eine. Warten wir also mal ab. Meiner Meinung nach werden die Marktanteile der Hersteller bei Elektroautos nicht viel anders verteilt sein als bei Verbrennern, wenn dieser Markt erst mal 10 bis 20 Millionen Fahrzeuge im Jahr ausmacht. Die deutschen Hersteller und Zulieferer werden nach einiger Marktbeobachtung und den Verbesserungen der Infrastruktur bald vermehrt unter Strom stehen.
Belasten die verschärften Handelskonflikte gerade mit den USA das Geschäft der deutschen Autofirmen?
Ja, und mit dem Brexit ist es ähnlich – beides wird sicher Auswirkungen bis in die Bilanzen haben. Die Situation ist schon absurd. Denn die bisherigen Handelsabkommen wurden ja mit Sinn und Verstand gemacht. Wenn sich der Staat jetzt zum Beispiel über Strafzölle mehr nimmt, bleibt für den Aktionär einfach weniger über.
Macht das mittelfristig die Autobranche womöglich insgesamt schwächer und führt auch in deutschen Aktienindizes zu einer niedrigeren Gewichtung etwa zugunsten von IT-Unternehmen?
Es deutet wenig darauf hin, dass etwa Technologiewerte im Vergleich so viel stärker zulegen. Zumal ja viele von denen ebenfalls stark am Erfolg der Autoindustrie hängen. Denken Sie nur an den Chiphersteller Infineon. Für Deutschland wäre eine diversifiziertere Wirtschaft aber wünschenswert.
Wie berücksichtigt die Deka die Herausforderungen, denen die ganze Mobilitätsbranche gegenübersteht?
Solche Einflüsse gab es immer – und mit speziellen Herausforderungen wie der Politik Donald Trumps müssen alle Branchen leben. Beim Thema Klima müssen die die deutschen Autobauer jetzt energischer aufs Tempo drücken. Aber diese Anforderung kommt auch nicht von jetzt auf gleich. Die Industrie ist handlungsfähig und das berücksichtigen wir bei der Deka in unseren Einschätzungen auch.
Die Autoindustrie bleibt also gut aufgestellt?
Echte Probleme gäbe es nur, wenn beispielsweise Bevölkerungsriesen wie China langfristig deutlich weniger Autos kaufen würden. Aber das wird eher nicht geschehen – im Gegenteil. In den Schwellenländern ist individuelle Mobilität ungebrochen ein ganz großes Thema. Schon 2021 werden global rund 100 Millionen Autos im Jahr verkauft.
Und wenn der Diesel in Deutschland unverkäuflich wird?
Das wird in Deutschland nicht flächendeckend passieren. Es gibt genug ländliche Regionen, wo der Diesel seine Vorteile ausspielen kann. Fahrverbote sind ja eher ein städtisches Thema. Notfalls müssen die Hersteller andere Antriebe produzieren, um die Schadstoff-Ziele 2021 zu erreichen, zum Beispiel Mildhybride oder pure Elektroantriebe. Die Kraft dafür ist da. Und der Wille auch, wenn sich die emissionsfreien Antriebe rechnen.