Jüdische Gemeinde Bad Segeberg sowie Sparkasse Südholstein und ihre Stiftung: Würdevolles Mahnmal gegen das Vergessen geplant

Jüdische Gemeinde Bad Segeberg sowie Sparkasse Südholstein und ihre Stiftung: Würdevolles Mahnmal gegen das Vergessen geplant

 

Die jüdische Gemeinde in Bad Segeberg wird in diesem Jahr die Fassade der ehemaligen Segeberger Synagoge neu errichten. Dort, wo ehemals das jüdische Gotteshaus an zentraler Stelle in der Stadt gestanden hat, soll in Originalgröße die Front der alten Synagoge als eine offene Stahlkonstruktion nachgebildet werden. Die Sparkasse Südholstein und ihre Stiftung unterstützen die jüdische Gemeinde bei ihrem Vorhaben und fördern das Projekt.

Bei der heutigen Vorstellung in Bad Segeberg betonte Peter Harry Carstensen, Ministerpräsident a.D. und Beauftragter für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus in Schleswig-Holstein: „Ich freue mich mit der jüdischen Gemeinde in Bad Segeberg, dass es gemeinsam mit den Vertretern der Stadt gelungen ist, einen solchen Ort des Erinnerns zu schaffen. Die Fassadenkonstruktion lenkt nicht nur die Blicke auf die Gräueltaten der NS-Herrschaft, sondern zeigt auch, dass jüdisches Leben und seine Kultur inzwischen zu einem festen und wichtigen Bestandteil unserer Bürgergesellschaft geworden sind.“

Das Vorhaben war möglich geworden, nachdem die Stadtvertreter von Bad Segeberg in ihrer Sitzung vom Mai beschlossen hatten, die Eigentumsrechte des Grundstücks, auf dem die ehemalige Synagoge gestanden hat, an die jüdische Gemeinde zu übertragen. Walter Blender, Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Bad Segeberg, erinnerte an die Idee, wie das Bauvorhaben für die neue Synagogenfassade entstanden ist. „Von der ehemaligen Synagoge in Bad Segeberg sind heute nur noch eine Baulücke und eine Betonskulptur zu sehen. Das alles erinnert wenig an ein jüdisches Gotteshaus und jüdisches Leben. Umfragen haben ergeben, dass Bewohner und Besucher der Stadt die Baulücke nur als solche, nicht aber als Mahn- oder Denkmal wahrnehmen.“

Jan Peter Schröder, Landrat des Kreises Segeberg, ergänzte: „Wir haben im Kreis Segeberg sehr viele Erinnerungsorte an die Opfer der NS-Zeit: Stolpersteine, Gedenktafeln und die KZ-Gedenkstätten mahnen uns, dass wir das dunkelste Kapitel in der deutschen Geschichte nicht vergessen. Mit dem Fassadennachbau der Synagoge entsteht ein neuer Erinnerungsort, der sicherlich weit über Bad Segeberg hinaus Beachtung finden wird.“

Die Sparkasse Südholstein und deren Stiftung leisten einen finanziellen Beitrag, damit das Fassadenprojekt möglichst zügig umgesetzt werden kann. Ansgar Menke, Vorstandsvertreter der Sparkasse Südholstein, sagte: „Mit unserem gesellschaftlichen Engagement übernehmen wir Verantwortung. Daher möchten auch wir einen Beitrag für die Erinnerungskultur in unserem Land leisten. Die geplante offene Stahlkonstruktion der jüdischen Synagoge ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie dies auf sehr würdevolle Weise gelingen kann.“

Nach den Plänen der jüdischen Gemeinde sollen im Rahmen der Eingangstür die Namen der 55 Gemeindemitglieder angebracht werden, die Opfer der Shoa und der Vertreibung geworden sind. Monika Saggau, Bürgervorsteherin von Bad Segeberg, und Toni Köppen, Bürgermeister von Bad Segeberg, stimmten darin überein, dass durch die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit neue Brücken für eine gemeinsame Zukunft gebaut werden, in der die Bürgerinnen und Bürger unabhängig ihrer Herkunft und Religion friedlich und respektvoll miteinander umgehen.

Die jüdische Gemeinde von Bad Segeberg gestaltet dieses Jahr mit vier besonderen Aktionen: Neben der Errichtung der Fassade der ehemaligen Synagoge ist auch die Installation einer bis zu drei Meter hohen Menora (siebenarmiger Leuchter) vor dem Gemeindezentrum am Jean-Labowsky-Weg geplant. Darüber hinaus findet eine ganzjährige Bilderausstellung „Jüdisches Leben in Bad Segeberg gestern und heute“ im Gemeindezentrum statt. Außerdem werden alle Schulen und Religionsgemeinschaften in Bad Segeberg mit einer Ausgabe eines Standardwerks „Basiswissen Judentum“ bedacht. Hierzu sind Vertreterinnen und Vertreter aller Schulen und Religionsgemeinschaften für den 12. August eingeladen worden. Und im kommenden Jahr schließt sich ein weiterer Höhepunkt an: Dann feiert die wiedergegründete jüdische Gemeinde in Bad Segeberg ihr 20-jähriges Bestehen.

2021 bietet jedoch einen ganz besonderen Anlass, auf 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland zurückzuschauen und die Erinnerungskultur stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Denn im Jahr 321 erließ Kaiser Konstantin einen Erlass, der es jüdischen Bürgern in Köln erlaubte, ein städtisches Amt auszuüben. Dies ist nachweislich die früheste Erwähnung von Juden auf dem Gebiet des heutigen Deutschland. Aus diesem besonderen Anlass haben sich wichtige Institutionen sowie Persönlichkeiten des  öffentlichen Lebens zusammengeschlossen, um dieses Ereignis in ganz Deutschland zu würdigen. Ziel des Festjahres ist es, jüdi-sches Leben wieder sichtbarer und erlebbarer zu machen und dem Erstarken des Antisemitismus ein deutliches Zeichen entgegenzusetzen.

Ergänzende Informationen zum Gedenkjahr „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“:

Die Landesregierung von Schleswig-Holstein hat unter schleswig-holstein.de/juedisches-leben einen Veranstaltungskalender mit mehr als 130 Terminen veröffentlicht, die Interessierten Wissenswertes über jüdisches Leben in Vergangenheit und Gegenwart vermitteln. Unter dem Motto „SHalom&Moin“ werden dort Vertreterinnen und Vertreter der jüdischen Verbände, der Zivilgesellschaft und der Politik im Laufe des Festjahres in Videos und Grußbotschaften die jüdisch-schleswig-holsteinische Gemeinschaft zwischen Flensburg und Lübeck dokumentieren.